Persönliche Assistenz – Ohne geht bei mir nix!

Das Leben mit Behinderung ist oft ein Balanceakt zwischen Selbstständigkeit und den notwendigen Hilfen. Für mich steht dabei keine Sache ganz oben, sondern ein Team aus Menschen: meine persönlichen Assistenten. Ohne sie wäre mein Alltag schlicht undenkbar.

Doch was genau bedeutet persönliche Assistenz, und warum ist sie so wichtig? Persönliche Assistenz beschreibt eine umfassende Unterstützung, die es Menschen mit Behinderungen ermöglicht, ihren Alltag selbstbestimmt zu gestalten. Anders als bei Pflegekräften steht hier die individuelle Gestaltung des Lebens nach den Wünschen der assistenznehmenden Person im Mittelpunkt.

Hier teile ich nicht nur meine Erfahrungen, sondern auch einige Tipps und Infos, die dir oder dir bekannten Personen helfen könnten.

Was genau ist nun aber persönliche Assistenz, und was nicht?

Die Rechtslage in Deutschlandist eindeutig: Laut Sozialgesetzbuch haben Menschen mit Behinderungen Anspruch auf Leistungen, die ihnen ein Leben in Würde und Selbstbestimmung ermöglichen. Das klingt trocken, ist aber letztendlich der Grundpfeiler meiner Freiheit.

In der Praxis lässt sich der Beruf viel einfacher erklären als in der Theorie: morgens die Augen zu öffnen bekomme ich noch selbst hin, dann hat meine persönliche Assistenz aber einige Zeit etwas zu tun, denn ohne sie bin ich körperlich so hilflos wie ein Fisch auf einem Baum.

Sie lagert mich im Bett um, hält mir beim Abhusten das Klopapier vor den Mund, legt mir meine Urinflasche für den kleinen Toilettengang an, wäscht oder duscht mich je nach meinem Tagesplan, zieht mich an und macht mich vor allem mobil, indem sie mich mit meinem Deckenlifter in meinen Elektrorollstuhl hebt und mich so erst mobil macht. Und dies ist nur ein sehr kleiner Einblick in ihrem vollständigen Aufgabenspektrum.

Die Arbeit von einem Pflegedienst hört vielleicht in diesem Moment auf, nicht aber die einer persönlichen Assistenz. Während ein Pflegedienst oft auf medizinische Versorgung und Grundpflege beschränkt ist, geht persönliche Assistenz weit darüber hinaus. Sie umfasst die vollständige Ausführung alltäglicher Aufgaben nach den individuellen Anweisungen der assistenznehmenden Person und ermöglicht dadurch ein Leben in Eigenregie.

Der Fokus liegt dabei nicht auf einer standardisierten Versorgung, sondern auf der Umsetzung der persönlichen Bedürfnisse und Vorlieben der Person mit Assistenzbedarf. Weitere Aufgaben beinhalten etwa die kompletten ausführenden Tätigkeiten der Haushaltsführung, die Hilfestellung und Unterstützung bei der Arbeit und der Freizeitgestaltung auf Anweisung.

Der Beruf als persönliche Assistenz ist immer sehr individuell, denn jeder Mensch mit Behinderung respektive Arbeitgeber hat seine eigene, individuelle Lebensweise.

Persönliche Assistenz ist entsprechend viel mehr als “Hilfe im Alltag”, wie sie häufig fälschlicherweise von Laien, aber auch etwa von zuständigen Kostenträgern bezeichnet wird. Sie ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben.

Stell dir vor, du planst einen Tagesausflug: Ein Pflegedienst würde dich vielleicht nur zurück zu einer vorgegebenen Uhrzeit abholen, während eine persönliche Assistenz den gesamten Tag mit dir verbringt, dich begleitet und jede spontane Entscheidung – sei es ein zusätzlicher Stopp im Lieblingscafé oder das Erkunden eines neuen Weges – möglich macht. Genau das macht den Unterschied aus.

Anders als bei Pflegediensten entscheide ich also selbst, wer mich wann und wie unterstützt. Ob beim Anziehen, Essen, Arbeiten oder einfach nur beim Ausüben meiner Hobbys – meine Assistenten sind meine Arme, Beine, die Kopfarbeit übernehme aber ich.

Mein Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben

Ohne meine Assistenz wäre ich in vielerlei Hinsicht aufgeschmissen. Sie ermöglicht mir nicht nur, meinen Alltag zu meistern, sondern auch, meinen eigenen Weg zu gehen. Vom Ausüben meiner zahlreichen Engagements bis hin zu ganz persönlichen Meilensteinen – all das wäre ohne diese Unterstützung nicht denkbar.

Doch persönliche Assistenz ist mehr als nur ein “Job”. Sie ist ein Bündnis, das auf Vertrauen und gegenseitigem Respekt basiert. Und ja, manchmal auch auf Geduld – von beiden Seiten.

Es geht um mehr als die bloße Umsetzung von Aufgaben: Meine Assistenten sind ein wichtiger Teil meines Lebens, und das ist ein Privileg, das ich sehr schätze.

Doch viele Menschen mit Assistenzbedarf könnten sich so auch ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen, nutzen diese Möglichkeit jedoch noch viel zu selten, obwohl hierauf ein Anrecht besteht.

Wie funktioniert persönliche Assistenz?

Es gibt grundsätzlich zwei Modelle in Deutschland:

Das Arbeitgebermodell: Hier bin ich selbst die Arbeitgeberperson, stelle meine Assistenten ein, schreibe Dienstpläne und bin für die Organisation verantwortlich. Es gibt mir die maximale Kontrolle, bedeutet aber auch mehr Verwaltungsaufwand und Eigeninitiative. Dennoch kann ich Teilbereiche an externe Stellen weitergeben. So kann sich etwa ein Lohnbüro um die Abrechnung meiner Mitarbeiter kümmern.

Das Dienstleistungsmodell: Hier übernimmt ein Assistenzdienst die Organisation. Ich entscheide trotzdem, welche Aufgaben wie ausgeführt werden, habe aber weniger Einfluss darauf, wer wann genau kommt. Auch ist man an Dienstleister dann im Gesamten gebunden. Man gibt zwar Verantwortung ab, aber auch einen guten Part an Verhandlungsspielraum ab. Nichtsdestotrotz ist auch mit diesem Modell ein weitgehend selbstbestimmtes Leben möglich.

Beide Modelle haben ihre Vor- und Nachteile. Ich bevorzuge das Arbeitgebermodell, weil ich so die Kontrolle behalte und sicherstellen kann, dass alles genau nach meinen Bedürfnissen läuft. Klar, das bedeutet auch Arbeit – aber die lohnt sich für mich.

Auch bei Persönlicher Assistenz gibt es Herausforderungen – Aber auch Lösungen

Keine Kooperation ist frei von Konflikten, und das gilt auch für die Arbeitsbeziehung zwischen Menschen mit Assistenzbedarf und Assistenten.

Beispielsweise kann es zu Missverständnissen über Aufgaben kommen, wenn Anweisungen nicht klar genug formuliert werden. Hier hilft es, schriftliche Notizen oder Checklisten zu erstellen.

Ein anderes häufiges Konfliktthema ist die Abgrenzung von Privatsphäre und Arbeitszeit, insbesondere bei Rund-um-die-Uhr-Assistenzen.

Wenn persönliche Differenzen auftreten, ist es wichtig, sachlich zu bleiben und gemeinsam Lösungsstrategien zu entwickeln, wie etwa klare Aufgabenrotationen oder das Einholen externer unabhängiger Beratung. Es gibt Tage, an denen die Chemie nicht stimmt, oder Situationen, die schwierig zu erklären sind. Geduld und Kommunikation sind hier häufig entscheidend. Auf beiden Seiten.

Ein weiterer Punkt ist die Finanzierung. Der Weg durch den Behörden-Dschungel kann nervenaufreibend sein. Mein Tipp: Lass dich beraten. Organisationen wie das Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen e.V. (ForseA) oder spezialisierte Beratungsstellen, wie das Institut Selbstbestimmt Leben e.V. (ISL) können dir helfen, deine Rechte durchzusetzen. Auch die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) kann eine wichtige Anlaufstelle darstellen.

Tipps für ein gelungenes Miteinander

  • Ausführliche Einführung: Nimm dir Zeit, deine Assistenten in deine Bedürfnisse einzuweisen. Das schafft Sicherheit und Klarheit. Im besten Fall begleiten sie dein Leben viele Jahre lang.
  • Passende Kommunikation: Sprich offen über Erwartungen und Grenzen. Ehrlichkeit ist die Basis für eine funktionierende Zusammenarbeit. Schlechte oder fehlende Kommunikation kann das komplette Arbeitsklima stickig wie eine Opiumhöhle werden lassen.
  • Flexibilität: Sei bereit, dich auf unterschiedliche Charaktere einzulassen. Jede Person bringt etwas Einzigartiges mit. Im besten Fall könnt ihr beide von euren Kenntnissen und Erfahrungen gegenseitig profitieren.
  • Verantwortung teilen: Beziehe deine Assistenten in die Planung und Organisation von Aufgaben ein, wenn möglich. Dies fördert das Engagement und eine effektivere Zusammenarbeit.
  • Regelmäßiges Feedback: Gib regelmäßiges Feedback, sei aber besonders mit positivem Feedback nicht zu geizig, denn Anerkennung bleibt mindestens genauso in den Köpfen hängen wie Kritik.
  • Respektvolle Konfliktlösung: Konflikte können bei der gemeinsamen Arbeit entstehen, aber es ist wichtig, diese sachlich und respektvoll anzugehen. Dabei hilft es, ruhig zu bleiben und Lösungen gemeinsam zu erarbeiten, letzten Endes solltet ihr als Team agieren.
  • Work-Life-Balance: Achte darauf, dass die Arbeitsbelastung deiner Assistenten, aber auch deine eigene ausgewogen bleibt. Eine zu große Neigung in die ein oder andere Richtung
  • Sei kein Arsch: Vergiss nicht, dass deine Assistenten Menschen mit eigenen Bedürfnissen, Gefühlen und Grenzen sind. Ein respektvoller Umgang ist unerlässlich, um eine harmonische Zusammenarbeit zu gewährleisten. Nur weil deine Assistenz rund um die Uhr bei dir beschäftigt ist, heißt dies nicht, dass du sie nicht jede einzelne Minute dieser Zeit herumscheuchen musst.

Ein Leben nach meinen Vorstellungen – Mit persönlicher Assistenz

Persönliche Assistenz ist ein Privileg, eine Herausforderung und vor allem: eine Bereicherung. Sie gibt mir die Freiheit, mein Leben nach meinen Vorstellungen zu gestalten, und das ist für mich unbezahlbar.

Gleichzeitig erfordert sie aber auch Organisation, Geduld und die Bereitschaft, sich auf andere Menschen einzulassen. Für mich ist sie der Beweis, dass Selbstbestimmung und Unterstützung Hand in Hand gehen können. Weitere Eindrücke des Lebens mit persönlicher Assistenz erhaltet ihr mitunter auch auf der Austauschplattform SMAlltalk.

Falls du selbst überlegst, Assistenz zu beantragen oder jemanden kennst, der davon profitieren könnte, kann ich dir nur sagen: Trau dich. Es ist ein Schritt, der dein Leben verändern wird – so wie es meins verändert hat.