Der Winter steht vor der Tür und wie jedes Jahr bringt er seine ihm eigenen Herausforderungen mit sich, besonders für Menschen, die mit Spinaler Muskelatrophie Typ 2 (SMA) leben. Zieht euch warm an, denn ich habe ein paar Tipps für euch, um die kalte Jahreszeit gut zu überstehen – mit wärmenden Hilfen, Komfort und ein bisschen Gesundheitsgedöns.
1. Das Wichtigste? Wärme!

Egal, ob drinnen oder draußen: Mit SMA friere ich schneller, weil mein Körper weniger aktive Muskelmasse hat, die mich warm hält. Daher ist die richtige Kleidung draußen das A und O. Mein Motto lautet: Mehr hilft mehr – meistens.
Mit Schweiß komme ich klar, mit durch Kälte erstarrten Fingern nicht. Trotzdem brauche ich gerade am Oberkörper genug Bewegungsfreiheit, um mit meinem Elektrorollstuhl fahren zu können. Sind die Klamotten zu dick, bin ich zwar warm, aber das Gewicht der Kleidung hindert mich am Fahren.
Vielleicht kennt ihr die “Simpsons”-Folge, in der Maggie so viele Schichten Kleidung angezogen bekommt, dass sie sich nicht mehr bewegen kann? Genau so fühlt es sich in diesem Fall dann auch für mich an.
Mein Winterrepertoire umfasst:
- Lange Unterwäsche aus Baumwolle
- Dicke Thermohose (ideal mit langem Reißverschluss)
- Ein wärmender, aber leichter Pullover
- Wärmepads für die Füße
- Warme (Halb-)Stiefel
- Wärmebeutel für die Hände
- Handheizung am Elektrorollstuhl auf höchster Stufe
- Abdeckung meiner Arme zur Wärmeisolierung
- Kuschelige, dezente, aber nicht zu schwere Decke
- Mütze (Wärme ist wichtiger als der Look!)
- Schal
Zu Hause geht es ein bisschen leichter zu, denn hier kann ich über die Wärme gebieten, wie ich möchte, denn mit meinem System an Smart-Thermostaten kann ich es mir in jedem beliebigen Raum daheim so warm machen, dass es für mich angenehm ist.
Hier bleibt mein Körper eher warm, nur meine Gliedmaßen frösteln hier gerne mal. Eine warme, atmungsaktive Decke, sowie ein Heizkissen mit Smart-Home-Bedienung reichen bei Beinen und Füßen aus. Da ich meine Maus mit Kleidung am Unterarm nicht bedienen kann, greife ich auf kleine Handtücher auf meinen Armen zurück, um meine Arme ebenso warmzuhalten. Bei extremer Witterung habe ich noch einen Heizstrahler im Schrank, dessen Einsatz ist aber nur selten notwendig.
2. Mach dir das Atmen leichter!

Trockene Luft – durch Heizung oder Kälte – kann zu Reizungen der Atemwege führen, und mit SMA kann ein trockener Rachen ziemlich viel Aua machen. Was hilft? Ein Luftbefeuchter! Er sorgt dafür, dass die Luft in der Wohnung nicht zu trocken wird.
Zusätzlich solltest du regelmäßig lüften, auch wenn es draußen kalt ist. Ein kleiner Luftaustausch bringt frischen Sauerstoff und verbessert die Raumluft. Fünf bis zehn Minuten zweimal täglich reichen meines Erachtens dabei vollkommen aus, um frischen Sauerstoff hereinzulassen und die Raumluft zu verbessern. Außerdem verhinderst du damit eine Schimmelbildung in deiner Wohnung.
3. Rüste dich für Grippe und mehr

Zwischen September und April ist die Hochsaison für Erkältungen und Grippe – und damit die richtig eklige Zeit für dein Immunsystem. Familie und Freunde wollen (Assistenten müssen) mit dir Zeit verbringen, hüsteln ein wenig herum, ist für sie nichts Ernstes, und wenige Tage später mit Grippe im Bett verfluchst du jedes soziale Bedürfnis, das die Spezies Mensch hat.
Da so ziemlich jede Atemwegserkrankung für Personen mit SMA gefühlt mindestens ein ganz kleines Ringen um Leben und Tod ist, solltest du dich lieber schon vorher mit deinen bevorzugten Hustenlösern und Schmerzmitteln sowie anderen Hilfsmittelchen deiner Wahl eindecken. So kannst du dich nämlich in Ruhe deinem temporären, aber sehr inbrünstigen Hass gegenüber menschlichen Kontakten hingegeben – denn der Rest deines Körpers wird hauptsächlich mit dem Kurieren der Erkrankung beschäftigt sein.
Auch wichtig: Falls du – wie ich – schon häufiger mit einer Lungenentzündung zu kämpfen hattest, sprich rechtzeitig mit deinem Arzt über vorbeugende Maßnahmen. Jährliche Grippe- und Pneumokokkenimpfungen sind eine gute Idee für zusätzlichen Immunschutz.
4. Bleib gelenkig!

Wenn du regelmäßig Physiotherapie machst, herzlichen Glückwunsch – deine Muskeln, Sehnen und Gelenke sind schon besser vorbereitet als ohne. Wenn nicht, ist das auch kein Problem. Trotzdem solltest du gerade während der kalten Jahreszeit in Bewegung bleiben.
Sei ein Warmduscher. Wenn ich für jede Verspannung, die ich mit dem heißen Duschstrahl schon gelöst habe, einen Cent bekäme, hätte ich mindestens schon einiges angespart. Heißes Wasser tut meinen Muskeln echt gut.
Versuche dich jeden Tag im Winter ein wenig mehr zu bewegen als sonst, um Verspannungen vorzubeugen. Die Bewegungen müssen nicht groß sein. Neige deinen Kopf (wahlweise mit Unterstützung) leicht in für dich mögliche verschiedene Richtungen, lass dich zeitweise in leicht veränderte Positionen von deiner Standardstellung umlagern und nutze gefälligst die Sitzverstellungsmöglichkeiten, die dir dein Rollstuhl bieten – dafür sind sie schließlich da. Dein Körper dankt es dir.
5. Du bist kein Kaktus, versorge dich also regelmäßig mit Flüssigkeit

Mir ist es schon längst in Mark und Knochen übergegangen, doch für viele fällt es bei kälteren schwerer, ausreichend zu trinken. Hier liegt der fehlgeleitete Gedanke zugrunde, weniger trinken zu müssen, weil man weniger schwitzt. Doch besonders bei SMA ist es wichtig, den Flüssigkeitshaushalt im Blick zu behalten, denn wie bei älteren Menschen ist das Durstgefühl hier weniger ausgeprägt.
Warme Tees sind eine tolle Möglichkeit, genug Flüssigkeit aufzunehmen und sich dabei noch von innen zu wärmen – es gibt unglaublich viele Geschmackserlebnisse. Ich habe immer eine Tasse heißen Tee mit meinem Heißwasserbereiter in Bereitschaft, um hydriert zu bleiben. Abends tut auch eine Tasse Kakao oder heiße Milch mit Honig gut – Glücksgefühle en masse!
6. Vitamin D – Mein Sonnenschein im Winter

Der Winter treibt mich nicht häufiger nach draußen, als ich muss. Das bedeutet oft weniger Sonnenlicht und damit weniger Vitamin D für mich, denn dieses wird hauptsächlich über die Sonneneinstrahlung auf der Haut im Körper aufgenommen. Eine Mangelversorgung kann nicht nur die Stimmung bis hin zum November Blues drücken, sondern tatsächlich auch die Muskelkraft schwächen.
Es lohnt sich, den Vitamin-D-Spiegel im Blut überprüfen zu lassen. Der behandelnde Arzt kann damit beurteilen, ob du Vitamin D per Nahrungsergänzungsmittel ergänzen solltest. Ich nehme im Winter immer Vitamin D und merke einen deutlichen Unterschied – ich bin weniger kratzbürstig und kann wie in wärmeren Jahreszeiten meinem Alltag nachgehen.
7. Mach das Beste aus der Winterzeit

Winterzeit ist für mich Drinnen-Zeit. Wenn in den anderen Jahreszeiten Termine, Veranstaltungen und Feiern ohne Ende anstehen, wähle ich diese in der kalten Jahreszeit mit Bedacht aus und nehme mir mehr Zeit für mich selbst.
Ich ziehe mich wie ein Eremit zurück, lasse das Jahr Revue passieren und bereite mich mental auf das nächste vor, um mich auch in jenem weiterzuentwickeln. Außerdem widme ich mich meinen Hobbys, wie dem Schreiben, und finde neue Inspirationen, um meine Gedanken in Bewegung zu halten, auch wenn die Natur es gerade nicht erlaubt, weil die Kälte meine Muskeln ziemlich schnell erstarren lässt.
Auch ein Winter mit SMA kann angenehm sein

Auch wenn der Winter manchmal grau und kalt wirkt, gibt es viele kleine Wege, ihn sich angenehmer zu gestalten. Mit den richtigen Vorbereitungen und ein paar persönlichen Anpassungen kannst du gut durch die kalte Jahreszeit kommen. Und vergiss nicht: Selbst wenn es draußen stürmt, kann es drinnen immer warm und gemütlich sein – sowohl für Körper als auch Geist. Außerdem: Nach dem Winter kommt auch der Frühling wieder.
Ich hoffe, diese Tipps helfen dir, gut durch die kalte Jahreszeit zu kommen. Was sind eure Winter-Hacks? Lass es mich in den Kommentaren wissen!