Mein rollender Untersatz: Mobilität durch den Elektrorollstuhl

Mit persönlicher Assistenz komme ich durch meinen Alltag mit SMA. Mit meinem Computer kann ich ohne Probleme mit der Welt interagieren. Beides hilft mir aber nicht, um von A nach B zu kommen. Nach meiner wichtigsten Hilfe im Alltag und meinem wichtigsten Utensil im Alltag folgt nun eine Vorstellung meines wichtigsten Fortbewegungsmittels, meinem Elektrorollstuhl.

Vom Käfer zur damaligen Luxuskarre

Mit dem Elektrorollstuhl bin ich schon früh in meinem Leben in Kontakt gekommen. Während ich im Kindergarten noch mit einem Buggy, einer Mischung aus Kinderwagen und Rollstuhl, herumgeschoben wurde, gab es in meiner Schulzeit schon früh die Überlegung seitens Lehrkräften und Physiotherapeuten, dass ich mit einem Elektrorollstuhl stark an Mobilität dazugewinnen würde.

So hatte ich dann mit sieben Jahren meinen ersten Elektrorollstuhl. Abseits von einer angepassten Sitzschale, damit ich mich nicht wund saß, hatte der Rollstuhl noch allerhand Funktionen, die heute meistens standardmäßig verfügbar sind.

Ich konnte einzelne Sitzauflagen in Neigung bzw. Höhe verstellen sowie auch den Rollstuhl in der Höhe verstellen, was ich mit vielen späteren Modellen erst mal nicht mehr konnte. Das war damals cool, als ich mich als kleiner Mann ganz groß machen konnte. Ferner lag das Steuerelement auf einem Klapptisch aus Plexiglas. Heute würde ich dieses Ding verfluchen, damals war das jedoch die Norm.

Freiheit -> Selbstverständlichkeit -> Langeweile

Es war schon ziemlich toll, mich frei bewegen zu können, wurde aber auch sehr schnell zur Selbstverständlichkeit. Nachdem alle Funktionen und die Leistung ausreichend ausgereizt wurden, war das alles nur noch normal.

Zwischendurch musste der Elektrorollstuhl in die Reparatur. Da gab es dann nur einen eher rudimentären Schieberollstuhl als Ersatz. Das war dann immer doof, doch abseits davon war der Elektrorollstuhl zum Alltag geworden. Zumindest in der Schule.

Draußen unterwegs war ich mit dem Elektrorollstuhl aber selten unterwegs. Zu Hause ebenso wenig. Meine Eltern gingen ihren Interessen nach und ich den meinen – und diesen konnte ich nicht im Elektrorollstuhl nachgehen. Ich saß dafür entweder lieber in meinem Bett oder doch in meinem Schieberollstuhl. Bewegen konnte ich mich in diesen besser damals. Die Wohnung war klein, mein Zimmer noch kleiner, und nach draußen in die weite Welt zog es mich nicht. Entsprechend nutzte ich den Elektrorollstuhl nur in der Schulzeit.

Nach der Schulzeit folgte die Studienzeit in ähnlicher Weise in Bezug auf meinen Elektrorollstuhl. Ich setzte mich morgens rein, um den Tag an der Fachhochschule mobil zu erleben, machte sogar ab und an Mal kleinere Unternehmungen durch Frankfurt, sobald ich aber zu Hause war, wechselte ich wieder in meinen Schieberollstuhl oder ins Bett, um wieder meinen Hobbys nachzugehen – und bei Bedarf (vor Klausuren) fürs Studium zu lernen.

Features en masse

Unterdessen gab es auch einen Wechsel des Rollstuhls mit ein paar neuen Features – der alte hatte ausgedient, war an das Ende seiner Kräfte gelangt. So kam mittlerweile eine Umfeldsteuerung inklusive mit dazu, mit der man Fernseher und einige andere Haushaltsgeräte per Infrarot-Empfang bedienen konnte.

Auch die Steuerung war mit weit weniger Muskelkraft für mich zu bedienen. Mit zwei weiteren Tasten, die superleicht zu bedienen waren, konnte ich sogar sämtliche Funktionen des Rollstuhls selbst vornehmen. In Theorie und Praxis konnte ich sogar damit den Mauszeiger bei Computern bedienen. Für unterwegs war das sogar optimal. Für den Zugang zu Computern brauchte ich lediglich einen Infrarot-Empfänger, der speziell die Software meines Rollstuhls erkannte. Damit war ich nicht so effizient wie mit meiner Trackball-Maus daheim, aber tatsächlich vollständig mobil in gewisser Weise.

Einmal alles neu, bitte!

Der große Wechsel vom Schieberollstuhl zum Elektrorollstuhl als Sitz- und Fortbewegungsgelegenheit zu jeder Zeit erfolgte mit einem Wechsel meiner formangepassten Sitzschale. Obwohl die letzte Anpassung vorher schon im Erwachsenenalter erfolgte, hatte ich durch unterschiedliche Druckstellen und Schmerzherde eine weitere Anpassung benötigt.

Dies war etwa zeitgleich mit meinem Start in einer eigenen Wohnung mit persönlicher Assistenz. Meine Wohnung war auf einmal ein gutes Stück größer geworden und trotzdem ließ ich mich in meinem Schieberollstuhl herumschieben. Irgendwann passte mir das nicht mehr. Ich wollte selbst mein Reich und mein Umfeld erkunden. Also wurde der Elektrorollstuhl zu meinem neuen Gefährt für meinen Alltag und die Sitzschale so lange angepasst, bis ich ohne Probleme mit ein paar Mikrobewegungen den ganzen Tag über drin sitzen konnte.

Zwischendrin kam dann noch ein neues technisches Update für meinen Elektrorollstuhl: eine neue Steuerung, die noch einfacher zu betätigen war als die vorherige – die Protos-Nullwegsteuerung von humanelektronik. In diesem Zusammenhang verabschiedete ich mich auch von meinem jahrelangen Begleiter, dem Plexiglas-Tisch, was auch beziehungstechnisch nur von Vorteil war. Weiterhin kam eine Handheizung hinzu, jedoch hatte ich keine Tasten mehr, wodurch die Mausfunktionalität deutlich hinter der Strecke blieb. Die übrige Umfeldsteuerung von vorher konnte ich nun aber mit dem Joystick allein händeln. Auch cool.

Noch nicht ganz perfekt

Das bislang letzte Update kam im April 2024. Nach vielen langen und guten Jahren hatte auch mein damaliger Elektrorollstuhl gut ausgedient und als Neuer kam dann der Permobil M5 ins Haus. Der Umbau ging ziemlich gut vonstatten. Binnen eines Tages war meine angepasste Sitzschale auf den neuen Permobil umgebaut worden.

Die neueste Funktion war die Höhenverstellung, die ich noch von meinem allerersten Rollstuhl kannte, die aber bei den ganzen anderen Rollstühlen zwischen den Jahren nicht vorhanden war. Da ich auch Mann keine anderthalb Meter herausrage, ich aber nun über eine ganze Wohnung verfüge, haben sich deutlich mehr Einsatzmöglichkeiten dieser Funktion bei mir und meinen Assistenten ergeben, abseits der kindlichen Angeberei von früher. Ich kann etwa beim Kochen besser den Überblick behalten und meinen Assistenten einige Bewegungsabläufe erleichtern.

Im öffentlichen Raum habe ich nach wie vor Probleme beim Fahren mit dem Elektrorollstuhl. Nein, ich bin kein Rambo, der alles und jeden niederwalzt, der mir vor die Front kommt – mehr das Gegenteil ist der Fall –, aber selbst die kleinste Erschütterung lässt meine Hände von der optimalen Lage zum Fahren abweichen, wodurch ich mehr häufiger denn seltener meine Hände richten lassen muss, was für alle Beteiligten an schlechteren Tagen nervig sein kann.

Um meinen Alltag mit meinem Rollstuhl, der mich die nächsten Jahre begleiten wird, noch angenehmer zu gestalten, plane ich derzeit eine weitere Ausstattung mit gewissen Add-Ons. Zu diesen gehört etwa ein umfassendes Regendach oder eine Schiene zum Fixieren meines Fahrarmes. Auch ein flexiblerer Handyhalter soll her. Ansonsten träume ich noch davon, auch mal einen geeigneten Getränkehalter an meinen Rollstuhl anzubringen.

All dies sind am Ende nur Kleinigkeiten, für mich ist aber jede dieser Zusätze mit einer spürbaren Verbesserung verbunden, ein bisschen wie die Upgrades in Mega-Man-Spielen. Natürlich müssen solche Änderungen in der Regel mit dem Sanitätshaus des Vertrauens abgeklärt werden

Da solche Spielereien bei deren Arbeitsaufwand im Regelbetrieb nicht die höchste Priorität haben, geht es mit meinen Upgrades aber auch nicht so fix. Das Sanitätshaus muss aber auch mit eingebunden werden, da ein Rollstuhl als Hilfsmittel etwa so teuer wie ein PKW im mittleren Preissegment ist und nun mal im Eigentum der Krankenkasse ist.

Füße mit Einschränkungen

Letztendlich kann ich den Rollstuhl in seiner Funktion mit Beinen vergleichen, die so mobil wie ein Panzer sind. Zwar komme ich nicht überall rein und passe damit nicht in die engsten Gänge, missen möchte ich ihn jedoch nicht. Ohne den Rollstuhl – sei er nun manuell oder elektrisch angetrieben – wäre ich zu einem Alltag im Bett verdammt. Zwar würde ich damit nicht wie die Katze durch ihre Neugier, dafür aber aus Langeweile sterben.

Der Elektrorollstuhl ermöglicht mir unglaublich viel Flexibilität. Zwar brauche ich bei Unternehmungen draußen nach wie vor Unterstützung und auch meine Körperpflege übernimmt er (noch) nicht, aber ich kann selbst entscheiden, wann ich mich wohin bewegen möchte. Das ist ein Plus in einem selbstbestimmten Leben.

Am Ende ist es mit Rollstühlen auch ein bisschen wie mit Autos. Jeder hat Favoriten, optisch oder funktionell, selbst wenn diese nicht gefahren werden. Was sind eure?